Integrierte Energieplanung der ersten Solarsiedlung im Ruhrgebiet

Das Planungsbüro Graw wurde 1997 von den Bauträgern beauftragt, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit einer Solarsiedlung nach den Anforderungen des Landes NRW für Solarsiedlungen zu prüfen. An der Bramkampstraße in Gelsenkirchen sollte eine neue Wohnsiedlung entstehen, die als "Sonnensiedlung" Profil zeigt und in die Zukunft weist. Schwerpunkte der Sonnensiedlung waren:


° Einsatz baubiologisch unbedenklicher Baustoffe,

° Sparsamer Umgang mit Grund und Boden,

° Sparsamer Umgang mit Energie durch einen hohen Dämmstandard der Gebäude,

° Konsequente Nutzung der Sonnenenergie passiv und aktiv,

° Eigene Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen,

° Versickerung des Regenwassers vor Ort.


Auf einer Fläche von ca. 38.000m² waren 14 Gebäude mit ca. 78 Wohneinheiten geplant, die sehr kostengünstig und doch den höchsten Ansprüchen einer nachhaltigen Energieversorgung gerecht werden sollten. Zum Bau sollten unbedenkliche Materialien verwendet werden. Die Häuser sollten soweit wie möglich nach Süden ausgerichtet sein, so dass durch bauliche Maßnahmen eine gute passive und aktive Nutzung der Solarenergie möglich würde.



Solarenergetische Prüfung

Der städtebauliche Entwurf des Architekturbüros Hübner teile das Bauvorhaben in zwei etwa gleich große Hälften: Eine Südhälfte, die nach Süden ausgerichtete Gebäude zuließ, sowie eine Nordhälfte, die nach West-Ost ausgerichtete Gebäude zuließ. Unsere solarenergetische Prüfung ergab, dass im südlichen Baugebiet etwa 50% mehr passive Sonnenenergie (etwa 20 KWh/m²) an den Hauptfassaden genutzt wurden konnte. Separat betrachtet waren die Anforderungen für eine Solarsiedlung für den Südteil sehr gut erfüllt; bei einer Gesamtbetrachtung würden die Anforderungen auch für die ganze Siedlung knapp erfüllt werden können. Da aus städtebaulicher Sicht eine stärkere Südausrichtung im Nordteil nicht sinnvoll erschien und der Bauträger nur so ein Hauskonzept umsetzen konnte, machte die Auswahlkommission in Düsseldorf als Kompensationsmaßnahme u.a. zur Auflage, bei der späteren Ausführung die Solarstromanlagen im nördlichem Teil größer auszulegen als im Südteil. Für die Evaluierung der Siedlung war dieser Umstand ein begehrter Forschungsgegenstand.



Energiekonzept

Für das Energiekonzept wurde der Wärmedämmstandard der Gebäude als Niedrigenergiehäuser (Nutzwärmebedarf für Raumwärme ca 40 kWh/m²a) festgelegt. Bei den solaren Passivhäusern im Südteil, die mit einer noch besseren Wärmedämmung und mit Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ausgeführt wurden, ergab sich ein Raumwärmebedarf von nur ca. 30kWh/m²a. Ohne die Kosten und Verbräuche, bezogen auf 1m² Wohnfläche oder Wohneinheit, wesentlich zu verändern, ergab sich in den weiteren Planungen, dass 71 statt 78 Wohneinheiten marktgerechter erschienen. Es wurden 4 verschiedene Versorgungsvarianten für die Wärme- und Stromversorgung erarbeitet und anschließend technisch und wirtschaftlich miteinander verglichen.


° Variante 1: Konventionelle Versorgung

° Variante 2: Nahwärmeversorgung mit Blockheizkraftwerk, Kochgasnetz, Fernwirknetz

° Variante 3: Solarunterstützte Strom- und Wärmeversorgung mit Brennwertkessel, Kochgasnetz, Fernwirknetz

° Variante 4: Solarunterstützte Strom- und Wärmeversorgung mit Fernwärmeversorgung, Kochgasnetz, Fernwirknetz


Die Kosten wurden als Kostenschätzung nach Investitionskosten, Betriebskosten und Verbrauchskosten berechnet. Um die Nutzung elektrischer Energie zur Wärmeerzeugung zu reduzieren un die maximale Stromleistungen (Einsparung von Kraftwerksleistung) zu verkleinern, wurde ein Kochgasnetz parallel zu kleinen Nahwärmenetzen untersucht. Die CO²-Emissionen wurden hierbei mit ermittelt. Für alle Varianten galten die gleichen Bedarfsgrunddaten an Wärme und Strom. Ein direkter Vergleich war so möglich.

Elektrischer Energiebedarf

Beim elektrischen Energieverbrauch wurde von einem energiesparenden Verhalten der Nutzer ausgegangen und dass der Zielwert erst nach einiger Zeit erreicht werden könnte. Hierzu war es notwendig, die Bewohner der Siedlung entsprechend zu informieren und Anreize zum Energiesparen, z.B. durch entsprechende Tarife und Förderungen bei der Anschaffung von energiesparenden Haushaltsgeräten, zu geben. Der elektrische Energiebedarf einer Wohneinheit wurde entsprechend der nachfolgenden Tabelle am Beispiel eines 4 Personenhaushaltes angenommen.





















Wärmebedarf

Der Wärmebedarf ergab sich aus dem Bedarf für Warmwasser und Heizung. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Ermittlung des Wärmebedarfs an Warmwasser und Heizung für die einzelnen Gebäudetypen. Hierbei wurde zwischen den verschiedenen Reihenhäuserzeilen und zwischen einem Reihenend- und Reihenmittelhaus unterschieden. Weiterhin zeigt die Tabelle die Berechnung der Rohrnetzverluste für innen- und außenverlegte Heizungsrohre bis zum Abrechnungszähler in den Wohneinheiten. Der Heizenergiebedarf wurde ca. 40% unter der Wärmeschutzverordnung ´95 (WSchV ´95) auf durchschnittlich 40 kWh/m²a festgelegt.













Solare Stromerzeugung

Der Strombedarf der Siedlung kann mit einer installierten Leistung von je 1-1,2 kWp je Einheit bis zu 40% durch die Solarstromanlagen gedeckt werden, wenn der Strom fast ausschließlich für Motoren, Licht und Geräte genutzt und nicht zum "Heizen" verwendet wird. Daher wurden Warmwasseranschlüsse für Spül- und Waschmaschine sowie ein Kochanschluss pro Wohneinheit vorgesehen.Weiterhin sollte eine Wäschetrockenmöglichkeit (z.B. Schrankwäschetrockner), um den üblichen Wäschetrockner zu ersetzen, vorgesehen werden. Durch diese Maßnahmen lassen sich bis zu 60-70% an elektrischer Kraftwerksleistung einsparen. Gleichzeitig können die Stromnetze kleiner ausgelegt werden. Im Laufe von ca. 10 Jahren würde sich der Stromverbrauch der Siedlung aller Voraussicht nach durch den Kauf von neuen Haushaltsgeräten weiter reduzieren, sodass der solarelektrische Anteil auf bis zu 60% ansteigen könnte. Die damals sehr hohen Investitionskosten wurden durch Fördermittel vom Land NRW um mehr als 70% gesenkt, so dass diese Anlagen trotz der hohen Investitionskosten wirtschaftlich wurden.



Fazit

Mit der ersten Solarsiedlung im Ruhrgebiet wurden neue Maßstäbe des kostensparenden solaren Bauens und einer ressourcenschonenden Energieversorgung gesetzt. Damit wurde eine echte Alternative zu einer auf Kohle basierenden Energieversorgung realisiert.